Die garantierte Mindestbezugsleistung der steuerbaren Verbrauchseinrichtungen beim netzorientierten Steuerungseingriff wurde von 3,7 kW auf 4,2 kW angehoben.
Dabei handelt es sich lediglich um ein Mindestmaß des netzwirksamen Leistungsbezugs aus dem Verteilnetz, das ”seitens des Netzbetreibers stets zu gewähren ist”. Wenn sich mehrere steuerbare Verbrauchseinrichtungen hinter einem Netzanschluss befinden, wird der minimale netzwirksame Leistungsbezug am Netzanschlusspunkt dementsprechend erhöht.
“Dynamische Steuerung” aus dem Eckpunktepapier wird nun als “netzorientierte Steuerung” bezeichnet. Basis für die netzorientierte Steuerung ist die Netzzustandsermittlung unter Berücksichtigung von Netzmodellen und -berechnungen.
Dabei darf die Auslösung der Steuerung nach der Feststellung der aktuell drohenden Überlastung einen Zeitraum von fünf Minuten nicht überschreiten. Diese strenge Vorgabe erklärt sich dadurch, dass die netzorientierte Steuerung als rein kurative Maßnahme gilt und die geeigneten Maßnahmen zur Abhilfe der Überlastung deshalb “sehr kurzfristig” ergriffen werden sollen.
Außerdem wurde der Begriff “diskriminierungsfrei” für die Steuerungseingriffe eingeführt, was im Grunde genommen bedeutet, dass nicht mehr die einzelne Anlage gedimmt, sondern der Leistungsbezug für alle hinter einem Netzanschlusspunkt zu steuernden Anlagen insgesamt reduziert wird. Die Leistung dieser Anlagen wird dann mit Hilfe von Energiemanagementsystemen verrechnet.
Im Gegensatz zum Eckpunktepapier, bei dem als Auslöser für die dynamische Steuerung eine messtechnisch festgestellte Auslastungssituation angenommen wurde, gilt nun als Grundlage für die netzorientierte Steuerung die sogenannte Netzzustandsermittlung im betroffenen Netzbereich, der aus einem Netzstrang inklusive der den Netzstrang versorgenden Trafos besteht.
Der Begriff “Netzzustandsermittlung” wurde eingeführt, um diesen Vorgang von der Netzzustandsschätzung (sog. “state estimation”), die im Kontext von Übertragungsnetzen angewandt wird, klar abzugrenzen. Grund dafür ist, dass die Parameter der Netzzustandsschätzung in den höheren Spannungsebenen „nicht eins zu eins auf die Anforderungen der Beobachtbarkeit der Niederspannung übertragen werden können”. In diesem Sinne erfolgt die Netzzustandsermittlung mithilfe von Netzberechnungen auf Basis von aktuellen Messungen in Kombination mit historischen Netzdaten und Stammdaten. Die netzorientierte Steuerung ist dabei anzuwenden, sobald eine Netzzustandsermittlung technisch möglich ist. Die technische Möglichkeit ist laut der Festlegung gegeben, wenn minütliche Netzzustandsdaten entweder von mindestens 15% aller Netzanschlüsse des betroffenen Netzbereiches oder von mindestens 7% aller Netzanschlüsse und gleichzeitig Abgangsmessungen an der Ortsnetzstation vorliegen.
Darüber hinaus besteht eine Öffnungsklausel für eine weitere Reduktion der Messwerte, sofern der Stand der Technik eine zuverlässige Netzzustandsermittlung ermöglicht.
Die “statische Steuerung” aus dem Eckpunktepapier von der Bundesnetzagentur wurde zur “präventiven Steuerung” mit nun engen Grenzen.
So darf die statische Steuerung nur dann erfolgen, wenn eine netzorientierte Steuerung bei dem jeweiligen Netzbetreiber technisch noch nicht möglich ist, d.h. nicht genügend Messdaten vorliegen. Diese Übergangsregelung gilt maximal bis Ende 2028.
Als Grundlage für die präventive Steuerung sind Netzberechnungen und netzplanerische Analysen, die auf einen drohenden Engpass hinweisen, ausreichend; Messungen sind dabei nicht erforderlich.
Allerdings darf die präventive Steuerung in einem Netzbereich nur für 24 Monate nach der ersten Maßnahme verwendet werden. Dann müssen Anforderungen für die netzorientierte Steuerung erfüllt sein. Außerdem wurde die Zeit der präventiven Steuerungsmaßnahmen auf 2 Stunden pro Tag eingeschränkt.
Bereits im Eckpunktepapier vom November 2022 galt eine “Teilnahmeverpflichtung ohne Ausnahme”. In der aktuellen Festlegung wurde dieser Punkt jedoch deutlich konkretisiert. So steht es, dass “die Abwesenheit von Netzengpässen den Netzbetreiber nicht von der Teilnahmeverpflichtung entbindet”.
Das bedeutet, dass die Netzbetreiber auch dann zum Abschluss von Vereinbarungen über die netzorientierte Steuerung – und damit auch zur Implementierung der technischen Möglichkeiten für die netzorientierten Steuerung – verpflichtet sind, wenn sie aktuell keine Überlastungssituationen in ihren Netzbereichen feststellen können.
Aus der Erläuterung der Beschlusskammer 6 zum Regelwerk der netzorientierten Steuerung geht außerdem hervor, dass diese Pflicht auch dann gilt, wenn keine drohenden Netzengpässe festzustellen sind: “Schließlich besteht die Teilnahmepflicht für beide Seiten, also für Netzbetreiber und Betreiber, auch wenn in dem Netz bis dahin noch keine Engpässe aufgetreten sind und es aus Sicht des Netzbetreibers absehbar auch noch nicht zu Kapazitätsengpässen kommen wird.”
Wenn die netzorientierte Steuerung oder die präventive Steuerung in einem bestimmten Netzbereich angewandt werden muss und mit den entsprechenden Maßnahmen für diesen Bereich auch in der Zukunft zu rechnen ist, müssen die Netzbetreiber diese in der Netzausbauplanung berücksichtigen. Diesen Punkt gab es auch schon im Eckpunktepapier, auch wenn der Wortlaut etwas anders war.
Neu dazu gekommen ist, dass auch die Umsetzbarkeit der netzorientierten Steuerung bei der Netzausbauplanung nach §14a Ziffer 6.1 nun grundsätzlich berücksichtigt werden muss.
Bereits im Eckpunktepapier vom November 2022 wurde eine Dokumentationspflicht für die Verteilnetzbetreiber eingeführt. Alle vorgenommenen Steuerungsmaßnahmen, deren Dauer, Intensität und – im Falle der dynamischen (heute: netzorientierten) Steuerung – die Messwerte, die zu den Steuerungshandlungen geführt haben, sind strangscharf zu dokumentieren.
Diese Pflicht ist in der aktuellen Festlegung geblieben und wurde zusätzlich ergänzt. So müssen zum Beispiel neben der Intensität und Dauer der Maßnahmen auch die Adressaten dokumentiert werden.
Auch der Wortlaut wurde aktualisiert; anstelle von “Messwerten” geht es nun um die “zugrunde gelegten Berechnungen”, die zu Steuerungshandlungen geführt haben.
Neu in der Festlegung vom Juni 2023 ist allerdings die Dokumentationspflicht der vorhandenen steuerbaren Verbrauchseinrichtungen pro Netzbereich, obwohl es sich momentan nur um deren Anzahl handelt.
In jedem Fall ist der Netzbetreiber verpflichtet, die durchgeführten Steuerungsmaßnahmen, die zur Reduzierung des Leistungsbezugs geführt haben, durch konkrete Daten im Einzelfall rechtfertigen zu können.
Zum Teil gekoppelt an die Dokumentationspflichten sind die Melde- und Informationspflichten, die in dieser Form ebenfalls neu sind.
Denn die Netzbetreiber sind laut dem Regelwerk nun auch dazu verpflichtet, die Netzbereiche, in denen entweder netzorientierte oder präventive Steuerungsmaßnahmen durchgeführt werden, auf einer gemeinsamen Internetplattform auszuweisen.
Die Informationen, die dabei im monatlichen Takt offengelegt werden, umfassen die Art der Steuerung (netzorientiert oder präventiv), die Anzahl der betroffenen steuerbaren Verbrauchseinrichtungen, die durchschnittlich gekürzte Leistung, sowie die Gesamtdauer der Maßnahmen.
Außerdem sollen auch weitere vorgenommenen Maßnahmen zur Reduzierung von Steuerungsmaßnahmen bekannt gegeben werden.
Allerdings gibt es solch eine gemeinsame Internetplattform noch nicht und zum jetzigen Zeitpunkt ist es auch unklar, wer für deren Errichtung zuständig ist.
Wenn der Anlagenbetreiber im Gegenzug für die netzorientierte Steuerung die pauschale Netzentgeltreduzierung gewählt hat, muss der Netzbetreiber komplementär ein zeitvariables Netzentgelt anbieten.
Dabei ist der Netzbetreiber verpflichtet, mehrere Zeitfenster mit drei Preisstufen anzubieten. Mehr dazu finden Sie hier.
Alternativ zur pauschalen Netzentgeltreduzierung ist der Netzbetreiber bei einer Messung des Verbrauchs von einer oder mehreren steuerbaren Verbrauchseinrichtungen dazu verpflichtet, weiterhin eine prozentuale Reduzierung des Arbeitspreises anzubieten. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Messung dieses Verbrauchs über einen separaten Zählpunkt erfolgt.
Eine Kombination aus der pauschalen Netzentgeltreduzierung und prozentualen Reduzierung des Arbeitspreises ist laut dem Regelungswerk von Beschlusskammer 8 nicht möglich.