Ohne Standardisierung keine Energiewende – warum der Prozess entscheidend ist

Angesichts der wachsenden Beanspruchung unserer Verteilnetze durch den Zubau erneuerbarer Energien und den Hochlauf neuer Verbrauchseinrichtungen steigen die planerischen Anforderungen an die Netzbetreiber spürbar.  

Jede Anfrage muss nicht nur auf Netzverträglichkeit geprüft, sondern zunehmend auch in größere Ausbauplanungen eingebettet werden. Was früher Einzelfallentscheidungen waren, wird heute mehr und mehr zum Massenprozess – in der Niederspannung ebenso wie in der Mittelspannung. 

Doch die Realität bei vielen Verteilnetzbetreibern sieht noch anders aus: heterogene Datenlandschaften, langwierige Prüfprozesse, fehlende Transparenz – und vor allem: zu wenig Personal, um mit der Geschwindigkeit des Wandels mitzuhalten. 

Genau hier liegt das Potenzial – und die Notwendigkeit – für Veränderung. Denn in der heutigen Situation entscheidet nicht mehr allein die technische Netzkapazität über den Erfolg, sondern auch die Effizienz und Skalierbarkeit der internen Prozesse. 

Der einzige Weg, diesen Anforderungen dauerhaft gerecht zu werden, ist die Standardisierung und Automatisierung der wesentlichen Planungsprozesse. Und zwar dort, wo der größte Hebel liegt: bei hochfrequenten, standardisierbaren Abläufen mit hoher Relevanz und vertretbarem Risiko bei der Automatisierung.  

Ein Beispiel ist die automatisierte Anschlussprüfung in der Niederspannung. Immer mehr Anlagen müssen angeschlossen und geprüft werden. Die Kritikalität jeder Anlage ist aber gering und der Prozess sehr strukturiert und gleichförmig – ein idealer Anwendungsfall für Automatisierung.

Doch dabei wird es nicht bleiben: Auch der Netzausbau in der Mittelspannung wird sich künftig zu einem Massenprozess entwickeln – und muss ebenso automatisierbar gedacht werden.

Anschlussprüfung gestern: manuell, aufwändig, intransparent 

Während sich die Netzauslastung durch neue Verbrauchsspitzen und volatile Einspeisungen kontinuierlich erhöht, sind viele interne Prozesse noch immer geprägt von manuellen Prüfungen, Excel-Tabellen und fragmentierten Datenflüssen. 

In der Praxis bedeutet dies, dass Netzverträglichkeitsprüfungen oft mehrere Tage dauern, denn die dafür relevanten Daten müssen häufig zunächst manuell kombiniert und validiert werden. Auch die notwendigen Berechnungen und Dokumentationen benötigen hohen manuellen Input. Es fehlt an standardisierten Schnittstellen sowie standardisierten und automatisierten Abläufen. 

Vor dem Hintergrund der limitierten Personalressourcen werden deshalb vor allem kleine Anlagen (< 30 kW) häufig nur vereinfacht bzw. durch Schätzungen geprüft. Die Transparenz über verfügbare Netzkapazitäten – insbesondere in der Niederspannung – ist dadurch lückenhaft. 

Das Resultat: Planungsunsicherheit, Engpassrisiken und eine unnötige Belastung für ohnehin knappe personelle Ressourcen. 

Von der Einzelanfrage zum skalierbaren Planungsprozess: Die Anschlussprüfung als Best-Practice für durchgängige Automatisierung 

Die automatisierte Anschlussprüfung ist eines der am weitesten entwickelten Beispiele für einen vollständig digitalisierten Prozess in der Verteilnetzplanung – und damit ein idealer Referenzfall dafür, wie Standardisierung und Automatisierung in der Praxis funktionieren können. Hier nur ein Beispiel, das zeigt, was möglich ist: 

Case Studies: So wird die Grundlage für strategische Netzplanung geschaffen 

Angesichts der steigenden Anzahl an Anschlussanfragen, insbesondere für PV-Anlagen, suchte Überlandwerk Mittelbaden nach Möglichkeiten, seine Prozesse zu optimieren und zu automatisieren.  

Durch die Integration der envelio IGP mit dem epilot-Kundenportal konnte der Netzbetreiber den manuellen Aufwand erheblich reduzieren. Anschlussanfragen, die früher drei Stunden dauerten, werden nun in nur 15 Minuten bearbeitet.  

Zudem hat die Einführung eines vollständig rechenfähigen Netzmodells für die Nieder- und Mittelspannung die Transparenz erheblich verbessert und ermöglicht präzisere Berechnungen sowie eine strategische Netzplanung.

Hier die Case Study Überlandwerk Mittelbaden herunterladen

Erleben Sie wie die Stadtwerke Heidelberg Netze die Analyse von Zukunftsszenarien in der Niederspannung für die strategische Netzplanung nutzt.

Hier die Case Study Stadtwerke Heidelberg Netze herunterladen

Erfahren Sie, wie der Reutlinger Netzbetreiber FairNetz GmbH auf die envelio IGP als „Single Source of Truth“ für die Analyse der Netzteilnehmerstruktur setzt, um die Datenbasis für die Berechnungslogik weiter zu verbessern und eine empirische Grundlage für fundierte Investitionsentscheidungen für den Netzausbau schaffen.

Hier die Case Study FairNetz GmbH herunterladen

Der digitale Zwilling als Grundvoraussetzung 

Was standardisierte Prozesse in der Praxis ermöglichen 

Die Grundlage dafür bildet ein digitaler Zwilling des Verteilnetzes, der alle Daten konsolidiert, validiert und simulationsfähig macht. Erst mit einem solchen Modell lassen sich Prozesse automatisieren und standardisieren – und zwar über alle Spannungsebenen hinweg. 

Standardisierung und Digitalisierung gehen dabei Hand in Hand: Prozesse werden nicht nur effizienter, sondern auch nachvollziehbar und skalierbar – die Voraussetzung für ein resilienteres Stromnetz.

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Damit ist die Anschlussprüfung mehr als nur ein operatives Tool: Sie ist der Beweis, dass skalierbare, automatisierte Netzplanung funktioniert – und dass dieser Ansatz auf viele weitere Planungsprozesse übertragen werden kann. 

Die envelio Netzplanung App greift diese Logik auf und überführt sie in den Kontext der langfristigen Netzoptimierung: Statt einer einzelnen Anschlussprüfung lassen sich hier ganze Netzbereiche bewerten, Maßnahmen ableiten und Investitionen priorisieren – mit demselben Anspruch an Geschwindigkeit, Transparenz und Standardisierung. 

Skalierbarkeit und Wirkung – Ergebnisse aus der Praxis 

Was automatisierte Anschlussprozesse bereits heute leisten 

Die Wirkung standardisierter Prozesse ist nicht nur in der Theorie überzeugend – sie zeigt sich auch in konkreten Zahlen: 

Durch die Anschlussprüfung haben wir bei Einspeiseranfragen in der Niederspannung einen großen Schritt nach vorn gemacht. Nur durch Automatisierung werden ca. 60 % der Anfragen ohne manuelles Eingreifen abgearbeitet. So können wir uns auf die anspruchsvollen Fälle konzentrieren.“ 

Dr. Manuel Geiger 
Senior Manager Data & AI bei der Avacon Netz GmbH avacon-logo-for-slider-209x209-1-120x0-c-center

Diese Ergebnisse sind nicht das Resultat komplexer Sonderlösungen, sondern standardisierter, schlanker Prozesse, die sich skalieren lassen – unabhängig von Netzgröße oder Region.  

Besonders relevant: Auch kleinere Anlagen, die früher oft nur geschätzt wurden, können nun präzise und digital geprüft werden. Das steigert nicht nur die Qualität der Netzbewertung, sondern auch die Akzeptanz beim Endkunden. 

Massenprozessfähigkeit als Enabler der Energiewende 

Die erfolgreiche Transformation unseres Energiesystems beginnt nicht erst mit dem Ausbau von Infrastruktur – sie beginnt mit den Prozessen dahinter. Nur so können verschiedene Szenarien berücksichtigt sowie künftige Engpässe und Investitionsbedarfe vorausgesagt werden.  

Der Schlüssel liegt deshalb in einem hohen Grad an Standardisierung und Automatisierung: 

  • Standardisierung ermöglicht es, gleichartige Vorgänge effizient zu strukturieren und einheitlich zu bewerten. 
  • Automatisierung sorgt dafür, dass diese Prozesse auch in hoher Stückzahl mit gleichbleibender Qualität ablaufen. 

Nur mit dieser Kombination kann der Wandel vom Einzelprojekt zum automatisierten Massenprozess gelingen – und nur so lässt sich der enorme Zubau netzverträglich in bestehende Strukturen integrieren. 

So gelingt es Netzbetreibern, ihre Netze vorausschauend und zukunftssicher zu planen.  Verteilnetzbetreiber, die diesen Weg bereits eingeschlagen haben, zeigen: Die Lösungen sind da – jetzt geht es darum, sie zum Standard zu machen.


💡 Tipp: PlanOps – die neue Effizienz für Netzplanung und Betrieb

Die Verteilnetze stehen unter Druck – doch die Abteilungen für Planung, Betrieb und Asset Management agieren oft noch isoliert voneinander. Diese Fragmentierung führt zu ineffizientem Ressourceneinsatz und unkoordinierten Entscheidungen.  

Mit dem PlanOps-Ansatz lassen sich diese Bereiche eng verzahnen, um Planungsprozesse besser abzustimmen, Ressourcen gezielter einzusetzen und die Netze fit für die Zukunft zu machen. 

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