Zielnetzplanung in Deutschland: Die vier größten Herausforderungen für Verteilnetzbetreiber
Verteilnetzbetreiber (VNB) stehen im Zentrum der Energiewende, denn ein Großteil der neuen Erzeugungsanlagen und Verbrauchseinrichtungen wird auf Mittel- und Niederspannungsebene angeschlossen.
Die Zielnetzplanung – also die strategische Planung des künftigen „Ziel“-Netzzustands – muss die technischen, regulatorischen, wirtschaftlichen sowie personellen Rahmenbedingungen berücksichtigen, vor dem Hintergrund rasant steigender Anforderungen (insbesondere durch den Ausbau der Erneuerbaren, E-Mobilität, Wärmepumpen und Rechenzentren).
Im Folgenden geben wir euch einen Überblick über die zentralen Herausforderungen in Deutschland unter Bezug auf aktuelle Studien und belastbare Daten.
1. Technische Herausforderungen
Integration dezentraler Erzeugung
Die Verteilnetze waren historisch für den uni-direktionalen Stromfluss von zentralen Kraftwerken zum Verbraucher ausgelegt. Heute speisen tausende PV- und Windanlagen dezentral in die Verteilnetze ein, was teils Rückspeiseflüsse in höhere Netzebenen verursacht, auf die viele Netze nicht flächendeckend ausgelegt sind.
In ländlichen Regionen führen viele PV-Anlagen in der Niederspannung zu lokalen Überspannungen und erfordern kostspielige Netzverstärkungen. Gleichzeitig entstehen witterungsabhängige Einspeisespitzen – z. B. an sonnigen Mittagstagen – die das Spannungsband und die thermische Belastbarkeit von Leitungen und Transformatoren ausreizen.
Um dem entgegenzuwirken und Mittagsspitzen durch PV-Einspeisung besser zu bewältigen, wurde inzwischen eine gesetzliche Spitzenkappung für PV-Neuanlagen eingeführt (§ 9 EEG 2023). Diese Regelung soll lokal auftretende Netzengpässe in der Niederspannung entschärfen.
Neue Lasten und Netzbelastungen
Parallel wächst die Stromnachfrage auf Verteilebene stark. Zunehmende Elektromobilität (E-Fahrzeuge, Ladeparks) und Wärmepumpen in Haushalten verursachen hohe gleichzeitige Leistungsaufnahmen, die bisherige Reserven in Ortsnetzen aufbrauchen.
In Städten kommen neue Punktlasten wie Rechenzentren oder große Batteriespeicher hinzu, die an das Mittelspannungsnetz angeschlossen werden und erhebliche Leistungen ziehen.
Diese Entwicklungen verschärfen Netzengpässe und machen erhebliche Verstärkungen auf allen Spannungsebenen nötig – von leistungsstärkeren Ortsnetzstationen bis zum Zubau zusätzlicher Mittel- und Hochspannungsleitungen.
Netzmodernisierung und Technikwechsel
Viele Verteilnetz-Komponenten sind alt und müssen ersetzt oder modernisiert werden. Zusätzlich erzwingen neue Umwelt- und Sicherheitsauflagen technische Anpassungen: Beispielsweise verlangt der Gesetzgeber den Ausstieg aus SF₆-Gasisolierungen bei Schaltanlagen und ein Verbot bestimmter PFAS-Stoffe.
Das bedeutet Um- bzw. Neubau von Anlagen mit SF₆-freier Technik, die oft mehr Platz benötigt und neue Genehmigungen erfordert laut telepolis.de.
Auch müssen intelligente Komponenten (Sensorik, Fernsteuerbarkeit) flächendeckend in die Netze integriert werden, um Smart Grids zu ermöglichen – dies ist technisch aufwändig und erfordert standardisierte Lösungen, die sich aktuell noch in der Erprobung befinden.
Insgesamt steht eine massive Netzverstärkung und -erneuerung bevor: Schätzungen zufolge müssen die jährlichen Investitionen in die deutschen Verteilnetze von ca. 7 Mrd. € (2020er-Niveau) auf über 14 Mrd. € pro Jahr verdoppelt werden, um die technischen Engpässe rechtzeitig zu beseitigen laut einer Studie von imk-boeckler.dedena.de.
Flexibilisierung der Netze
Die Herausforderung in der Zielnetzplanung besteht nicht nur im klassischen, teuren Netzausbau, sondern zunehmend in der intelligenten Steuerung von Erzeugung und Verbrauch.
Um Netzengpässe kosteneffizient zu vermeiden, sollten auch Flexibilitätsmaßnahmen systematisch eingeplant werden: z. B. verschiebbare Lasten, steuerbare Erzeuger, Speicher, oder die Sektorkopplung – also die Verschiebung von Stromüberschüssen in Wärme oder Mobilität.
In der Theorie können Elektroautos, Wärmepumpen oder Batteriespeicher netzdienlich eingesetzt werden – etwa indem sie bei hoher PV-Einspeisung laden oder bei hoher Netzlast pausieren. In der Praxis fehlen jedoch vielfach noch die Voraussetzungen für ein Smart Grid:
- Der Rollout intelligenter Messsysteme (iMSys), bestehend aus moderner Messeinrichtung und Smart-Meter-Gateway – geregelt im Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) – hinkt in der Praxis den gesetzlichen Vorgaben deutlich hinterher.
- Das wiederum verzögert die Fernsteuerung netzdienlicher Verbrauchseinrichtungen (§ 14a EnWG). Ohne diese Infrastruktur ist eine skalierbare Flexibilitätsnutzung kaum möglich.
- Zudem fehlt oft noch die Implementierung von Prozessen bei den beteiligten Akteuren (VNB, MSB), um eine Steuerbarkeit in der Fläche (d.h. mit hoher Skalierbarkeit) zu gewährleisten.
Solange diese infrastrukturellen Voraussetzungen fehlen, können Flexibilitäten nicht im vollen Umfang aktiviert werden – der positive Effekt auf Netzengpässe bleibt begrenzt.
Netzbetreiber stehen zudem vor der Herausforderung, gar nicht zu wissen, wie groß überhaupt der Impact von Flexibilität ist: Losgelöst von der technischen Umsetzbarkeit, kann kaum vorausgesagt werden, ob die Effekte von § 14a EnWG nun 10 %, 20 % oder 30 % Netzkapazitäten freimachen, da das für jedes Netz sehr individuell und somit schwer zu berechnen ist.
Damit ergibt sich eine Planungsunsicherheit für Netzbetreiber: sie müssen in der Zielnetzplanung zwar mit zukünftiger Flexibilität rechnen, wissen aber nicht genau, in welchem Umfang und mit welcher Zuverlässigkeit diese zur Verfügung stehen wird.
Als Ergänzung zu stark standardisierten und formalen Prozessen, wie § 14a EnWG etc., können individuelle Absprachen mit den Anlagenbetreibern getroffen werden: Durch flexible Netzanschlussvereinbarungen (FCA) erhalten Netzbetreiber die Möglichkeit, die Einspeiseleistung von Erneuerbare-Energien-Anlagen auf einen definierten Maximalwert und/oder bestimmte Zeitfenster zu begrenzen.
Auf diese Weise lassen sich Anlagen an Netzverknüpfungspunkten integrieren, die unter herkömmlichen Bedingungen nicht – oder nur nach umfangreichen Netzverstärkungen – verfügbar wären.
Auch verschiedene Anlagentypen können sich denselben Netzanschlusspunkt teilen, ohne dass die Infrastruktur auf die Maximalleistung aller Beteiligten ausgelegt sein muss.
2. Regulatorische Anforderungen
Netzplanungs-Vorgaben (§14d EnWG)
Die Gesetzesnovelle von 2021 (§14d Energiewirtschaftsgesetz) verpflichtet große VNB (über 100.000 Kunden) erstmals zur Veröffentlichung von Netzausbauplänen im zweijährigen Turnus.
Diese Zielnetzplanungen sollen Transparenz schaffen und den Netzausbau auf Verteilnetzebene besser koordinieren. In der ersten Runde zeigte sich jedoch, dass 81 von 800 VNBs ihre Netzausbaupläne (Stichtag 30.04.2024) in sehr unterschiedlicher Qualität und Methodik vorlegten.
Die VNB mussten regionale Last-/Erzeugungsszenarien bis 2045 entwickeln, teils angelehnt an Szenarien des Übertragungsnetzentwicklungsplans (NEP) – jedoch verwendeten manche Regionen unterschiedliche Ansätze (z. B. drei Regionen NEP-Szenario B, Bayern Szenario C, andere eigene Annahmen.
Dadurch variieren die Prognosen (z. B. zum E-Mobilitäts-Hochlauf) erheblich und sind schlecht vergleichbar. Auch fehlen oft einheitliche Datenformate, was die Nachnutzbarkeit der Pläne einschränkt.
Insgesamt muss die Koordination und Standardisierung der Zielnetzplanung verbessert werden, damit die Vorgaben der BNetzA ihren Zweck – nämlich Klarheit über den Ausbaubedarf – erfüllen. Positiv ist, dass die 81 veröffentlichenden VNB etwa drei Viertel des Netzes abdecken laut imk-boeckler.de. Ihr ausgewiesener Investitionsbedarf beträgt zusammen über 220 Mrd. € bis 2045 (siehe Tabelle weiter unten).
Zahlreiche Akteure mit sich überschneidenden Anforderungen
Weitere gesetzliche Vorgaben erfordern zusätzliches Engagement der VNB: Etwa das novellierte §14a EnWG (steuerbare Verbrauchseinrichtungen) verlangt, dass Netzbetreiber künftig flexible Tarife/Steuerungen für z. B. Wallboxen anbieten können, um Lastspitzen abzufedern. Hierzu muss jedoch der Smart-Meter-Rollout vorankommen.
Die Bundesregierung hat mit dem Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW 2023) eine Beschleunigung des Rollouts eingeleitet. VNB begrüßen zwar den Abbau bürokratischer Hürden, bemängeln aber offene Fragen der Kostenwälzung: Da intelligente Zähler größtenteils von den Netzbetreibern finanziert werden müssen, entstehen zusätzliche Investitionsbelastungen, die im Regulierungsrahmen noch nicht klar verankert sind.
Für ein großes Stadtwerk (mit 2 Mio. Messstellen) werden z. B. die Investitionen in Smart Meter auf ca. 100 Mio. € beziffert.– on top zum Netzausbau. Hier ist also eine kohärente Regulierung nötig, damit Digitalisierungsvorgaben (Smart Meter, Steuerboxen) umgesetzt werden können, ohne die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Netzbetreiber zu gefährden.
Schließlich sehen sich VNB mit zahlreichen Akteuren konfrontiert, die teils überschneidende Anforderungen stellen: BMWK (Klimaziele, Gesetze wie EnWG/GEG), BNetzA (Regulierung, Festlegungen), BSI (IT-Sicherheitsvorgaben, Smart-Meter-Gateway-Regularien), sowie Branchenverbände (BDEW, FNN) erarbeiten ständig neue Richtlinien.
Es fehlt mitunter an übergreifender Koordination – was in der Praxis zu Widersprüchen und Mehrfachaufwand führt. Ein Beispiel sind Genehmigungsprozesse: Auf der einen Seite soll der Netzumbau schnell gehen, auf der anderen Seite erfordern z. B. neue digitale Ortsnetzstationen mit größerem Platzbedarf oft komplett neue Baugenehmigungen (statt vereinfachter Änderungen).
Hier sind Gesetzgeber und Behörden gefragt, regulatorische Prozesse zu straffen und besser abzustimmen, damit die ambitionierten Ausbauziele nicht an Verfahrenshürden scheitern.
3. Wirtschaftliche Herausforderungen
Hoher Investitionsbedarf
Um die Energiewende-Netze zu realisieren, sind in den nächsten zwei Jahrzehnten Rekordinvestitionen im Verteilnetz notwendig. Eine aktuelle Auswertung der erstmals veröffentlichten Verteilnetz-Ausbaupläne (81 VNB) beziffert den Bedarf bis 2045 auf über 220 Mrd. € (nur für die teilnehmenden 81 VNB, die ~75–80 % des Netzes abdecken) laut einer Analyse der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V.
Hochgerechnet auf alle Netzbetreiber dürfte der Gesamtbedarf deutlich höher liegen. So kommt eine Studie des IMK (Hans-Böckler-Stiftung, 2024) auf etwa 323 Mrd. € bis 2045 allein für die Verteilernetze. Andere Szenario-Rechnungen gehen sogar von über 400 Mrd. € aus (ef.Ruhr Studie 2024: ~431 Mrd. €).
Unterschiede entstehen durch abweichende Annahmen (z. B. Nachfrageszenarien, Technologieeinsatz), doch alle Prognosen liegen in hundert-Milliarden-Größenordnungen. Die folgende Tabelle zeigt eine Spanne ausgewählter Schätzungen:
Schätzung / Quelle |
Investitionsbedarf Verteilnetze bis 2045 |
Netzausbaupläne großer VNB (Stand 2024) |
> 220 Mrd. € | Quelle: ffe.de (für ~80 % der Netze) |
IMK-Studie (2024) |
~ 323 Mrd. € | Quelle: imk-boeckler.de (bundesweit, alle VNB) |
ef.Ruhr-Studie (2024) |
~ 431 Mrd. € | Quelle: EWI Köln (bundesweit, Szenario) |
Investitionsfinanzierung und Anreizregulierung
Als regulierte natürliche Monopole können VNB ihre Kosten nur über Netzentgelte refinanzieren, die von der BNetzA genehmigt werden. Jede größere Investition durchläuft einen Genehmigungsprozess (Kostenprüfung) und schlägt sich zeitverzögert in höheren Netzentgelten nieder. In den letzten Jahren waren die regulierten Renditen relativ niedrig (derzeit ~5 – 6 % für Neuanlagen, je nach Kapitalstruktur), was Kritik hervorruft, da die Kapitalkosten im Markt gestiegen sind.
Die „klassische Innenfinanzierung“ der VNB – also Investitionen aus Abschreibungen und laufendem Cashflow – reicht bei Weitem nicht aus, um den kommenden Ausbaubedarf zu decken laut dena.de. Viele VNB werden auf zusätzliche Fremd- und Eigenkapitalquellen angewiesen sein.
Das ist besonders für kommunale Netzbetreiber schwierig, da diese oft an strikte kommunale Haushaltspolitik gebunden sind. Die dena-Studie betont zudem, dass die Beschaffung von ausreichend Eigenkapital zur Herausforderung wird, wenn die Investitionsvolumina stark steigen.
Sie schlägt Lösungsansätze vor wie: Erhöhung der zulässigen EK-Rendite, Beteiligung externer Investoren oder sogar staatliches Eigenkapital zur Stärkung der Netzinfrastruktur. Ebenfalls diskutiert wird das Modell einer Infrastructure Asset Company („AssetCo“) mit teilweiser staatlicher Beteiligung, um frisches Kapital bereitzustellen.
Die Anreizregulierung muss so weiterentwickelt werden, dass notwendige Investitionen nicht unterbleiben, aber dennoch Effizienz gewahrt bleibt. In der Praxis wird bereits sichtbar, dass die Netzentgelte für Haushalte nach Jahren der Senkung wieder das Niveau zu Beginn der Anreizregulierung erreicht haben. Experten erwarten in den kommenden Jahren steigende Netzentgelte, da die VNB die gewaltigen Investitionen umlegen müssen.
Behandlung von Investitionskosten (CAPEX) und Betriebskosten (OPEX)
Hinzu kommt ein strukturelles Problem in der ungleichen Behandlung von Investitions- (CAPEX) und Betriebskosten (OPEX):
- Klassische Investitionen in Beton, Kupfer oder Trafostationen (CAPEX) werden über die regulierte Eigenkapitalverzinsung relativ gut vergütet und langfristig abgeschrieben.
- Betriebliche Aufwendungen (OPEX) – etwa für SaaS, IT-Support, Cloud-Infrastruktur oder externe Dienstleister – fließen dagegen in den jährlichen Effizienzvergleich ein und wirken sich direkt auf die genehmigten Erlöse aus.
Das hat zur Folge, dass digitale, softwarebasierte Lösungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht weniger attraktiv sind als klassische Infrastrukturprojekte, obwohl sie technisch oft flexibler, skalierbarer und kosteneffizienter wären (z. B. Lastmanagement über Plattform statt Leitungsausbau).
Diese systematische Benachteiligung von OPEX behindert insbesondere die Digitalisierung der Netze, obwohl sie für die Flexibilisierung und Automatisierung entscheidend ist.
Die Kunst für Regulierer und Politik wird sein, Verbraucherakzeptanz zu erhalten – z. B. durch soziale Abfederung unvermeidbarer Kostensteigerungen – während gleichzeitig genügend Investitionsanreize für die VNB geschaffen werden, um die Versorgungssicherheit und Klimaziele nicht zu gefährden.
Unsicherheiten und Risiken
Wirtschaftlich bergen die Netzausbauprojekte auch Kalkulationsrisiken. Viele VNB-Schätzungen basieren auf heutigen Erfahrungswerten; es ist ungewiss, ob zukünftig etwa Baukosten, Personal- und Materialpreise im Rahmen bleiben.
In den letzten Jahren sahen sich Netzbetreiber etwa mit explodierenden Kabel- und Trafopreisen (Lieferkettenprobleme, Rohstoffkosten) konfrontiert. Solche Marktrisiken können dazu führen, dass geplante Budgets nicht ausreichen.
Auch können Fehlanreize im System – etwa strikte Effizienzvorgaben – dazu verleiten, Investitionen zu schieben, was langfristig höhere Aufholeffekte produziert (Investitionsstau).
Für stabile Rahmenbedingungen plädieren daher sowohl Wissenschaftler als auch Branche. So fordert etwa der BDEW, die Mehrbelastungen aus der Energiewende explizit im Regulierungsrahmen zu berücksichtigen, damit VNB vorausschauend investieren können, ohne wirtschaftlich in Schieflage zu geraten.
4. Personelle und organisatorische Herausforderungen
Fachkräftemangel
Neben dem Kapital sind vor allem Menschen die kritische Ressource. Netze planen, bauen und betreiben erfordert hochqualifiziertes Personal (Elektroingenieure, Techniker, IT-Experten). Doch der deutsche Arbeitsmarkt leidet bereits heute unter einem deutlichen Mangel an Fachkräften, der sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen dürfte, wie wir auf envelio.com bereits berichtet haben.
In etwa fünf Jahren scheidet die geburtenstarke Babyboomer-Generation in Rente aus – ein großer Verlust an erfahrenen Netzingenieuren und Facharbeitern, der kaum voll ersetzt werden kann.
Verschärft wird die Lage durch Konkurrenz um die gleichen Fachkräfte: Der Breitbandausbau bindet etwa Tiefbau-Kapazitäten, die dann für Stromnetzprojekte fehlen. Ebenso buhlt die boomende Industrie (z. B. Elektrotechnik, IT) um die begrenzten Spezialisten, was den VNB die Rekrutierung erschwert.
Know-how und neue Kompetenzanforderungen
Die Energiewende erhöht auch die Komplexität der Netzplanung. Früher basierten Ausbauentscheidungen auf historisch gewachsenen Lastprofilen; heute müssen VNB-Szenarien für E-Mobilität, Prosumer-Einspeisung, Wärmewende etc. einbeziehen und mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten.
Dies erfordert neue Tools (Lastflusssimulationen, GIS-gestützte Planung, Datenanalyse) und entsprechendes Know-how im Personal. Gefragt sind IT- und Datenkompetenzen, da Smart Grids viel stärker durch digitale Steuerung geprägt sein werden. VNB benötigen Fachkräfte in Bereichen, die zuvor nicht im Fokus standen – z. B. Datenanalysten, Software-Ingenieure und Cybersicherheitsexperten, um die Flut an Smart-Meter-Daten auszuwerten und sicher zu nutzen.
Viele Unternehmen reagieren mit Anpassung ihrer Personalstrategie: Sie werben verstärkt Quereinsteiger aus anderen Branchen an, kooperieren mit Hochschulen, bilden mehr selbst aus und investieren in Weiterbildungen der vorhandenen Mitarbeiter. So werden z. B. vermehrt Schulungen in Digitalisierung, Automatisierung und Datenanalyse angeboten, um das bestehende Personal fit für neue Aufgaben zu machen.
Trotzdem gilt es, mit einer kleineren Belegschaft mehr zu leisten. Hier setzt man auf Digitalisierung und Automatisierung, um Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten.
Auch die weitere Standardisierung von Planungsprozessen soll Ressourcen sparen: Laut der Beratungsgesellschaft LBD erledigen Verteilnetzbetreiber Planungsaufgaben heute noch überwiegend in Eigenleistung (weil es als Kernkompetenz gilt), während Bauausführung oft outgesourct ist.
Künftig wird man standardisierte Planungstools nutzen müssen, um trotz Personalknappheit alle Anfragen zu bewältigen und Ressourcen mit anderen Netzbetreibern bündeln.
Planung und Betrieb eng verzahnen: PlanOps als Schlüssel zur Effizienz
In diesem Kontext gewinnt auch die Verzahnung von Planung und Betrieb an Bedeutung. Das Konzept PlanOps gilt hier als Schlüssel zur Effizienz. Es ermöglicht Verteilnetzbetreibern, sämtliche Planungs- und Umsetzungsprozesse – von der Zielnetzplanung über Budgetierung bis hin zur Maßnahmendurchführung – zentral, skalierbar und nachvollziehbar zu steuern.
Dadurch lassen sich Projekte effizient priorisieren, Abhängigkeiten zwischen Planungsmaßnahmen berücksichtigen und knappe Ressourcen optimal einsetzen.
Es zeigt sich an vielen verschiedenen Stellen immer wieder: Die Zielnetzplanung muss weitergedacht werden – nicht als Einmalprojekt, sondern als laufenden Prozess.
Wie digital ist das deutsche Verteilnetz? Finde es heraus in unserer neuen Studie Digital Grid Insights – in Kooperation mit energate.
Quellen: Studien und Berichte: von Bundesnetzagentur (BNetzA), Bundesministerien (BMWK/BMWE), dena-Verteilnetzstudie II (2025), IMK-Studie (2024), Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln gGmbH (EWI), FfE-Energietage (2025), Telepolis