Mehr Effizienz für die Energiewende: Wie PlanOps in der Planung und im Betrieb der Netze zum Umdenken bewegt
Wo wachsende Aufgaben mit knappen Ressourcen zu bewältigen sind, können kooperative Arbeitsweisen und gemeinsam nutzbare digitale Tools erhebliche Vorteile schaffen.
Die stetig steigende Zahl von PV-Anlagen, Wallboxen, Wärmepumpen und nicht zuletzt die neuen Regelungen im Umfeld von §14a EnWG und perspektivisch §9 EEG haben bei den Verteilnetzbetreibern die Niederspannungsnetze in den Fokus gerückt. Die Netzbetreiber stehen damit unter erheblichem Druck: Die steigende Anzahl von Anschlussanfragen muss nicht nur bearbeitet, sondern auch in ihren Auswirkungen auf die Netze bewertet und beantwortet werden – durch verstärktes Monitoring, systematische Ausbaumaßnahmen und nötigenfalls auch netzorientiertes Steuern. Viele Unternehmen gelangen da an ihre Grenzen.
Wir wissen von unseren Kunden, dass Sie aktuell mit der Hoch- und Mittelspannung bereits viel beschäftigt sind – und da kommt ja noch mehr. „Für die neuen Aufgaben in der Niederspannung gibt es da eigentlich kaum noch Ressourcen“, weiß Philipp Erlinghagen, Mitgründer von envelio. Angesichts des enormen Umfangs der Infrastruktur ist schon allein eine kontinuierliche Überwachung der Niederspannungsnetze „mit Bordmitteln“ in den allermeisten Verteilnetzen unmöglich. „Der größte deutsche Kunde von envelio, die Westnetz GmbH, ist für rund 60.000 NS-Netze verantwortlich“, erläutert der VP Product.
Die bisherigen Strategien: Verstärkung oder Steuerung?
Vor diesem Hintergrund zielt die aktuelle Strategie vieler Netzbetreiber darauf ab, Steuerungsbedarf nach §14a gar nicht erst entstehen zu lassen: Netze, in denen bereits Probleme auftreten oder in absehbarer Zeit zu erwarten sind, sollen aus diesem Grund gezielt ausgebaut oder verstärkt werden. Ob das funktioniert, hängt von zwei kritischen Parametern ab: Dem Tempo der Elektrifizierung von Wärme und Mobilität und der planmäßigen Durchführbarkeit der Ausbauarbeiten.
Das wird sicher in vielen Fällen funktionieren, in manchen aber auch nicht. Man denke zum Beispiel an innerstädtische Netze, wenn dort Bestandsimmobilien oder Neubauten verstärkt mit Ladepunkten und Wärmepumpen ausgestattet werden. Eine verlässliche Zustandsüberwachung und Steuerfähigkeit bleibt damit auch für die Niederspannung unverzichtbar – und diese muss automatisiert erfolgen.
Auf dem Weg zum rechenbaren Netzmodell
Die Grundlage dafür ist ein digitaler Zwilling des Netzes, in dem zunächst einmal alle Bestandsdaten zu einem rechenbaren Netzmodell zusammengeführt werden. Dieser ist zunächst statisch und eignet sich daher primär für Planungsaufgaben, wie die Prüfung von Anschlussanfragen oder die Zielnetzplanung. Durch die intelligente Integration von Live-Informationen aus den Stationen und den intelligenten Messsystemen in den Haushalten kann das virtuelle Abbild jedoch zu einem Live-Netzmodell ausgebaut werden, das dann auch den Netzbetrieb unterstützt.
Das setzt envelio gerade in der Intelligent Grid Platform um. Auf dieser Basis kann die Lösung dann minütlich Netzzustandsermittlung in der Niederspannung erstellen und bei Engpässen den gesamten Prozess der netzorientierten Steuerung nach §14a über die CLS-Schnittstelle des Smart Meter Gateways automatisiert durchführen. Dennoch gilt: auch die beste digitale Lösung kann ihre Wirkung nur dann voll entfalten, wenn Organisation und die Prozesse im Unternehmen darauf abgestimmt sind.
Die Netzplanung und der Netzbetrieb in den unteren Spannungsebenen haben strukturell ganz unterschiedliche Aufgaben und Anforderungen – und oft wenig Kontakt. In beiden Bereichen wird wertvolles Wissen über die Netze gesammelt, das angesichts der kommenden Herausforderungen dringend geteilt werden sollte. So kennen die Planungsteams dank ihrer Berechnungen Netze, die kritisch sind, oder wissen, wo welche Anschlussgenehmigungen angefragt wurden – interessante Informationen für den Netzbetrieb, der in diesem Segment beispielsweise gezielt das digitale Monitoring verstärken könnte.
Umgekehrt können die Spezialist:innen im Netzbetrieb der Planungsabteilung mitteilen, sobald neue Assets in Betrieb gehen oder in welchen Netzbereichen Messungen auf Probleme hinweisen, damit dort ganz gezielt Simulationen oder sogar Ausbauplanungen durchgeführt werden können. Das trägt dazu bei, Ressourcen effizienter einzusetzen und das Netz für alle Beteiligten transparenter zu machen.
Planung und Betrieb eng verzahnen: PlanOps als Schlüssel zur Effizienz
Für eine effiziente Umsetzung dieses Ansatzes steht envelio mit seinem PlanOps Konzept. Das Kürzel steht für Planning und Operations – Planung und Betrieb – die künftig enger zusammengeführt werden müssen. In Anlehnung an den DevOps-Ansatz aus der IT kann eine kontinuierliche, wiederkehrende und enge Zusammenarbeit zwischen Planung und Betrieb neue Effizienzpotential erschließen.
Das PlanOps-Konzept stellt sicher, dass Netzpläne nicht nur auf statischen Annahmen basieren, sondern dynamisch auf Basis von Messdaten aus dem Betrieb angepasst und verfeinert werden können. Darüber hinaus ermöglicht dieser Ansatz den optimalen Einsatz begrenzter Ressourcen, seien sie personeller, materieller oder finanzieller Art. Doch wie genau sieht die neue kollaborative PlanOps-Arbeitsweise aus?
Ein Beispiel: Die Planungsabteilung umfasst die planerische Bewertung der kurz- und langfristigen Netzkapazitäten sowie den Netzausbau und dessen Planung. Die Betriebsseite hingegen konzentriert sich auf den Netzbetrieb, die -überwachung sowie die Durchführung von Wartungsmaßnahmen und die Bearbeitung von Störungsmeldungen. Beide Seiten stehen in ständigem Austausch miteinander und arbeiten auf dem gleichen Netzmodell und einem einheitlichen Informationsstand.
In jeder Phase der Netzplanung beziehungsweise des -betriebs geben sich beide Seiten Feedback und arbeiten es ein. In einer Smart Grid Lösung wie der Intelligent Grid Platform, wird eine nahtlose Kommunikation zwischen beiden Abteilungen und zugehörigen Applikationen gewährleistet.
Geht beispielsweise eine neue Wärmepumpe ans Netz, wird sie unverzüglich in den digitalen Zwilling integriert. Die Betriebsseite kann nun überprüfen, wie sich der zusätzliche Stromverbraucher auf das Netz auswirkt und das Feedback direkt an die Planungsseite übermitteln. Mit diesen Informationen können planerische Annahmen hinterfragt und angepasst und eine präzisere Kurzfrist- und Zielnetzplanung durchgeführt werden.
Der PlanOps-Ingenieur orchestriert die Prozesse
Dabei ist PlanOps nicht als eine große Feedback-Schleife zu verstehen, bei der das Feedback erst umgesetzt wird, wenn alle Phasen bereits einmal durchlaufen worden sind. Stattdessen orchestriert PlanOps alle Prozesse rund um das Netz, führt sie zusammen und stimmt sie aufeinander ab. Und der Dirigent? Das könnte in Zukunft ein „PlanOps-Ingenieur“ sein.
Denn wenn Planung und Betrieb ineinandergreifen, braucht es Fachkräfte, die Experten für beide Bereiche sind. Eine ähnliche Entwicklung gab es bereits in der Industrie: Als beispielsweise Autos immer mehr Elektronik enthielten, die eng mit der Mechanik verknüpft war, entstand der Beruf des Mechatronikers – ein Spezialist auf beiden Gebieten.
Wie sieht eine Zukunft mit PlanOps aus?
Derzeit erkennen viele Netzbetreiber, dass sie mit der bisherigen Methode, das Niederspannungsnetz zu betreiben und zu planen, zunehmend an Grenzen stoßen. Es ist offensichtlich, dass hier ein Umdenken erforderlich ist. Allerdings stellt ein klassisches Leitsystem mit zumeist statischen Netzmodellen und häufig manuellen Prüfprozessen keine optimale Lösung für den „Massenmarkt“ in der Niederspannung dar. Stattdessen sollten die Arbeitsweisen von Planung und Betrieb überdacht und der Fokus auf die Digitalisierung und Automatisierung der Netze gelegt werden.
In der Zukunft könnte PlanOps ein Teil der Lösung sein: Auf Basis eines gemeinsamen digitalen Zwillings arbeiten die Abteilungen permanent zusammen und versorgen sich dank der installierten Messtechnik gegenseitig jederzeit mit Feedback auf Basis von Echtzeitdaten und den gleichen Netzmodellen. Die Auswirkungen neu angeschlossener Netzteilnehmer können transparent für beide Abteilungen sowohl für die Kurz- als auch die Zielnetzplanung berücksichtigt werden. PlanOps-Ingenieure sind Experten für beide Gebiete und orchestrieren die Planung und den Betrieb der Niederspannungsnetze.
Mit dieser Lösung lassen sich neue Effizienzpotentiale heben und die Integrationsfähigkeit der Netze für erneuerbare Energien und neue Verbraucher wird erhöht. Gleichzeitig lässt sich über die erhöhte Transparenz im Niederspannungsnetz die hohe Versorgungssicherheit in Deutschlands Netzen aufrechterhalten bleibt.
Mit der IGP-Plattform können wir gewährleisten, dass vorhandene Daten schnell und zuverlässig zu einem digitalen Abbild des Netzes verbunden werden. Die Netzbetreiber sind nun gefragt, ihre Organisation und Prozesse zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Denn nur, wenn Planung und Betrieb das Verteilnetz gemeinsam im Blick haben, kann sichergestellt werden, dass alle relevanten Informationen zeitnah im System vorliegen, geprüft sind und im Idealfall abteilungsübergreifend genutzt werden.